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Projekt Denk-Steine zum
Gedenken an die jüdischen
Bayreuther, die Opfer des Nationalsozialismus wurden
Die Denk-Steine-Aktion wurde von dem Künstler Dr. Horst Hoheisel aus Kassel erdacht, nach dem er bei seinen Erinnerungsarbeiten meist mit kleinen Gremien, mit Institutionen und mit Politikern zu tun hatte. Er fragte sich, ob ein Erinnerungszeichen nicht auch ohne politischen Auftrag, unter Beteiligung vieler Menschen sozusagen demokratisch von unten entstehen könne. Ein Denkmal, in dem er als Künstler nur Katalysator in einem Denkmalsprozess ist, an dem sehr viel Menschen beteiligt sind. So trugen auf seine Anregung hin über 1000 Menschen aus Kassel über 1000 Denk-Steine, jeder für je einen ermordeten Menschen zusammen. Jeder Stein war verschieden, sie trugen eine persönliche Widmung, entweder direkt auf den Stein geschrieben oder auf ein Blatt, das an den Stein geheftet war. Menschen stifteten ihren Stein einem ermordeten Menschen, der in ihrer Straße gewohnt hatte, oder Schülerinnen und Schüler suchten aus den Veröffentlichungen Biographien gleichaltriger Jugendlicher heraus und widmeten ihnen ihren Stein. Auf diese Weise entstand eine Denk-Stein-Sammlung, die seit einigen Jahren am ehemaligen Deportationsgleis des Kasseler Hauptbahnhofes steht. Inzwischen wurden ähnliche Aktionen in anderen Städten durchgeführt, wie etwa Berlin, München oder Bamberg. Im November 2001 folgten Schüler der fünf Bayreuther Gymnasien und der Städtischen Wirtschaftsschule sowie Angehörige der Bundeswehr diesem Vorbild und führten die Aktion für die jüdischen NS-Opfer aus Bayreuth durch. Die Initiative ging von der Geschichtswerkstatt Bayreuth aus, die ihre Forschungsergebnisse hierfür zur Verfügung stellte. Jeder Teilnehmer wählte sich ein Opfer aus, mit dem er/sie etwas gemeinsam haben sollte, wie etwa den Geburtstag, den Vornamen oder die Adresse. Dies sollte helfen, sich mit dem Opfer identifizieren zu können. Jeder sollte über das Opfer soviel als möglich aus vorhandener Literatur, durch Grosselternbefragungen, über Dokumente usw. herausfinden. Es ging also darum, sich mit einem Einzelschicksal näher auseinanderzusetzen. Die Initiatorin der Bayreuther Aktion, Irene Hamel, sagt hierzu: „Vor 60 Jahren begann auch in Bayreuth die Deportation der Mitbürger jüdischen Glaubens. Unter bis dahin unvorstellbaren Bedingungen wurden sie verschleppt, in Konzentrationslager gebracht und ermordet. Es liegt nunmal in der Natur des Menschen negative Erlebnisse und Ereignisse zu vergessen bzw. zu verdrängen. Unsere Aufgabe ist es aber an das Geschehene zu erinnern, damit so etwas nie wieder geschieht. Genau diese Verpflichtung liegt der Denk-Stein-Sammlung zugrunde. Sie zeigt, dass Auschwitz nicht in Auschwitz begonnen hat, sondern dass Auschwitz überall in Europa war. Sie zeigt, dass es in der gleichen Strasse, im gleichen Haus oder Nachbarhaus begonnen hat. Durch das Forschen und die einfache Geste des Steineaufhebens und -zusammentragens haben die an dieser Aktion beteiligten Schüler und Schülerinnen die Toten der Anonymität entrissen, sie vor dem Vergessen bewahrt und ihnen ein würdiges Denkmal gesetzt. Sie haben damit engagierte und beeindruckende Erinnerungsarbeit geleistet. Die Ergebnisse dieser Arbeiten sind wirklich überwältigend. Angefangen bei den Jüngsten, den Neuntklässlern, die sich auf ganz individuelle und ergreifende Art mit „ihren Opfern“ auseinandergesetzt haben, bis hin zu den Älteren der 11. und 12. Klassen, denen teilweise richtige kleine Forschungsarbeiten gelungen sind.“ Nach derzeitigem Kenntnisstand handelt es ich um 145 jüdische Bayreuther, die ermordet wurden, in KZs zu Tode kamen oder sich unter dem Nazi-Druck das Leben nahmen. Anlässlich des 60. Jahrestages der Deportationen von 46 jüdischen Bayreuthern nach Riga (Lettland), fand am 27.11.2001 eine gemeinsame Gedenkveranstaltung aller Beteiligten in der Aula des Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasiums statt. Am Ende dieser Veranstaltung legten alle Teilnehmer ihre Steine in einen Behälter aus Drahtgeflecht nieder. Ihre zu Papier gebrachten Ergebnisse waren vorher zu einer Stelltafel-Ausstellung zusammengestelt worden. (Siehe die Presseberichterstattung zu dieser Veranstaltung weiter unten). Graf-Münster-Gymnasium
Gymnasium-Christian-Ernestinum Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium Richard-Wagner-Gymnasium Städtische Wirtschaftsschule Wirtschaftswissenschaftliches Gymnasium 2. Bataillon des Luftwaffenausbildungsregiments 3 der Bundeswehr .
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In den beiden folgenden Jahren gingen Denksteine und Stelltafeln als Wanderausstellung von Schule zu Schule und mehrmals zur Bundeswehr. Dort wurde die Aktion sogar in den Staatskundeunterricht für Offiziersanwärter integriert. Ausserdem wurde die Ausstellung an mehreren Schulen im Bezirk Oberfranken und auch in nichtschulischen Gebäuden der Öffentlichkeit gezeigt. |
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Die
Ausstellung war in folgenden Institutionen zu Gast:
vom 27.11. bis 20.12.2001 am Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasium, Bayreuth vom 17.01. bis 01.02.2002 am Richard-Wagner-Gymnasium, Bayreuth vom 04.02. bis 01.03.2002 am Graf-Münster-Gymnasium, Bayreuth vom 05.03. bis 15.03.2002 am Gymnasium-Christian-Ernestinum, Bayreuth vom 18.03. bis 19.04.2002 in der Markgrafenkaserne, Bayreuth vom 08.06. bis 14.06.2002 an der Städtischen Wirtschaftsschule, Bayreuth vom 01.07. bis 09.07.2002 am Gymnasium Pegnitz, Wilhelm-von-Humboldt-Str.7 vom 06.08. bis 18.08.2002 im Foyer der Studiobühne, Bayreuth, Röntgenstr. 2 vom 09.09. bis 18.10.2002 in der Markgrafenkaserne, Bayreuth, Tag der Offnen Tür am 21.09. vom 17.02. bis 21.04.2003 in der Markgrafenkaserne, Bayreuth vom 20.07. bis 07.09.2003 in der Stadtkirche Bayreuth in Verbindung mit der bayerischen Wanderausstellung Blickwechsel - Juden und Christen, Christen und Juden. |
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Einige
der
Gedenkarbeiten finden Sie hier: Elise Adler von Eva Kopp und Lisa Krischke Else Ottemberg geb. Isaak von Dorothee Stahl und Katharina Grunau Fanny Kohl geb. Aurich Julius Frank von Tobias Sticht, Christian Heim und Hartmut Fischer Liselotte Wannbacher Marianne Frank von J.T. Rafael Sündermann von Dominik Reuther |
Zur
Gedenkliste »Jüdische
Bayreuther,
die Opfer
des NS-Terrors wurden« |
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„Manche Schüler haben Gedichte, andere Briefe an den jüdischen Bayreuther geschrieben, um den sie sich bemüht haben. Bewegende Zeichnungen sind ebenso entstanden wie größere Forschungsberichte. ... Großen Erfolg hatte eine Gruppe Schüler vom Graf-Münster-Gymnasium mit ihren Nachforschungen. ‚Wir haben Sachen herausgefunden, die vorher über unsere Person nicht bekannt waren‘, erzählt Tobias Sticht. Auf die Spur des Julius Frank hat sie dessen Abschlusszeugnis gesetzt, das im Schularchiv noch vorhanden war. ‚Er war ein mittelmäßiger Schüler‘, erklärt der Elftklässler. ... Die Detektivarbeit zog Tobias und seine beiden Mitschüler langsam in ihren Bann: Im Stadtarchiv erfuhren sie, dass Frank 1912 nach München zog, dass sein Vater in Bayreuth ein Textilgeschäft betrieb, dass er eine Schwester namens Marianne hatte und dass er 1941 nach Riga deportiert worden war. Bis zum Münchner Stadtarchiv dehnten die drei Gymnasiasten ihre Nachforschungen aus. Dort erfuhren sie, dass Frank leitender kaufmännischer Angestellter war und mehrere Kleinwarengeschäfte führte.“ |
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Die Übergabe der Denksteine an die Stadt Bayreuth Zu dieser Veranstaltung hatte die Geschichtswerkstatt Bayreuth ehemalige Bayreuther jüdischen Glaubens aus Grossbritannien, Kanada, Israel und den USA eingeladen. Nur wenigen war es nicht vergönnt, kommen zu können. Die Mehrzahl brachte auf eigene Kosten Kinder und Enkel mit. Neben Eigenmitteln wurde dieses Einladungsprojekt aus zahlreichen Spenden bestritten. Grössere Beträge erhielten wir von Werner Zapf, von Renovabis – Versöhnungsfonds der Katholischen Kirche, vom Evang.-Luth. Dekanatsbezirk sowie von der Friedrich-Bauer-GmbH. Dass aber über 3600 Euro von Privatpersonen eingingen, zeigt doch, dass die Aussöhnung mit den jüdischen NS-Opfern einen grossen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Es gibt im heutigen Deutschland eben nicht nur solche, die meinen, es müsse endlich mal Schluss mit diesem Thema sein! Allen Spendern sei auf diesem Wege nochmals ganz herzlich gedankt. |
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Historisches Museum Bayreuth - Gedenksteine-Turm und Gedenktafeln Historisches Museum Bayreuth - Blick in die DenkSteine-Ausstellung |
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Im Januar 2010 wurde die Ausstellung aufgelöst und die Gedenktafeln mit dem Gedenksteine-Turm ins Foyer des Neuen Rathauses umgezogen. Dort sind sie seitdem während der Dienstzeiten öffentlich zugänglich. |
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