GESCHICHTSWERKSTATT BAYREUTH  e.V.  

 
Erläuterungen zur Gedenkliste

"JÜDISCHE BAYREUTHER, DIE OPFER DES NS-TERRORS WURDEN"

Mit der Gedenkliste "Jüdische Bayreuther, die Opfer des NS-Terrors wurden" wird jener jüdischen Bayreuther gedacht, die in Konzentrationslager verschleppt wurden, dort verstarben oder ermordet wurden oder sich unter dem NS-Druck das Leben nahmen. Nach dem Forschungsstand vom April 2003 waren dies 144 Menschen.
 

Zur Definition von Jude, Bayreuther und Opfer

In die Gedenkliste wurden jene aufgenommen, die entweder jüdischen Glaubens waren oder jüdische Eltern hatten, aber aus diesem Glauben ausgetreten waren, sei es um zum Christentum zu konvertieren oder um einen Nichtjuden zu heiraten.

Unter einem "jüdischen Bayreuther" verstehe ich jemanden,
- der längere Zeit in Bayreuth wohnte bzw. gemeldet war, wozu also auch jene   gehörten, die in der Heil- und Pflegeanstalt oder im Sanatorium Herzoghöhe lebten,
- der in Bayreuth geboren war, egal wie lange er oder sie hier wohnte,
- der nur wenige Jahre in Bayreuth wohnte, aber von hier deportiert wurde.

Die Staatsangehörigkeit spielt in dieser Gedenkliste keine Rolle.

Wenn hier auch jener gedacht wird, die sich in der NS-Zeit das Leben nahmen, so geschieht dies im Einklang mit anderen Gedenklisten und -büchern. Edmund Schwabacher etwa entschloss sich zu diesem Schritt, um – wie er hinterliess – "der Familie nicht weiter im Wege zu stehen".
 

Zur Erforschung der Namen und Daten

Grundlage dieser Gedenkliste ist eine mehrjährige Forschung, deren Kristallisationskern die "Liste der bis 1938 in Bayreuth lebenden Juden" aus dem Stadtarchiv Bayreuth darstellt. Diese war 1947 von der Stadt Bayreuth für die Regierung von Ober- und Mittelfranken in Ansbach erstellt worden und umfasste – Doppelnennungen abgezogen – 167 Personen. Von diesen war bei 63 angegeben, dass sie in KZs verschleppt wurden; die anderen konnten bzw. mussten emigrieren. Diese sehr unvollständige Liste konnte mit den Jahren auf Grund vorhandener Literatur, Zeitzeugengesprächen und den verschiedensten Archivbeständen in Bamberg, Bayreuth, Berlin, Lichtenau/Mfr. und Jerusalem ergänzt werden.

Eine zentrale Stelle bei der Forschungsarbeit nahm das Gedenkbuch – Opfer der Verfolgung der Juden unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945 ein. Dieses zweibändige Werk war 1986 vom Bundesarchiv Koblenz und dem Internationalen Suchdienst herausgegeben worden, bezog sich aber nur auf die damalige BRD und Berlin. Bayreuther, die von jenem Teil Deutschlands deportiert worden waren, der später zur DDR wurde, sind also darin nicht enthalten. Andere Bayreuther Opfer sind nicht aufgeführt, weil die Bearbeiter keine Kenntnis von ihnen hatten. Unkorrektheiten in der Schreibweise, dem letzten Wohnort oder dem Schicksal wurden korrigiert. Später konnte im Bundesarchiv Berlin auch in die Datenbank Einblick genommen werden, die diesem Gedenkbuch zu Grunde lag und weitere nicht veröffentlichte Daten entnommen werden. Bedeutender aber war die dortige Datenbank zur Volkszählung vom Mai 1939. Durch sie konnten mehrere jüdische Bayreuther neu aufgenommen und für andere die Lebensdaten ergänzt werden. Leider sind die Bayreuther Unterlagen jener Zählung nicht vollständig erhalten.
      Unter den zahlreichen Archivbeständen, die über das Schicksal der Opfer Auskunft gaben, sind ausserdem besonders hervorzuheben: die sogenannten Hauslisten vom Oktober 1938 im Stadtarchiv Bayreuth sowie die Akten aus Nachlassverfahren und Toteserklärungsverfahren des Amtsgerichtes Bayreuth, die im Staatsarchiv Bamberg verwahrt werden.
      Schliesslich konnte die Gedenkliste nach einem Besuch des Archivs der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem um mehrere Opfer erweitert werden. Dort haben Hinterbliebene die Möglichkeit für ihre umgekommenen oder ermordeten Verwandten Gedenkblätter auszufüllen.

Die Forschung ist jedoch nicht abgeschlossen und die Gedenkliste somit noch nicht vollständig. Gebürtige Bayreuther und andere, die längere Zeit in Bayreuth wohnten, später aber in ein Nachbarland zogen und von dort in die Vernichtungsmachinerie gerieten, können noch ausfindig gemacht werden. Viele Frauen sind noch nicht identifiziert, weil nur ihre Mädchennamen, aber nicht ihre Ehenamen bekannt sind.
        Nach langem Zögern nahm ich auch jenen Herrn auf, von dem nur Spitz- und Nachname bekannt sind. Obwohl sich heute noch viele Bayreuther gut an jenen "Bulbul" erinnern können, weiss man nicht einmal genau, ob er Lippschütz oder Libschitz hiess, geschweigedenn sind seine Lebensdaten bekannt. Dieser stets elegant gekleidete Patient der Klinik der Familie Würzburger wurde eines Tages von der "Gemeinnützigen Transportgesellschaft" abgeholt und dürfte als Jude und Psychiatriepatient die "Euthanasie"-Aktionen mit Sicherheit nicht überlebt haben.
 

Gedenken der vertriebenen Opfer

Neben den jüdischen Bayreuthern, die ihr Leben unmittelbar durch den Nationalsozialismus verloren haben, dürfen jene nicht vergessen werden, die gezwungen waren, ins ferne Ausland zu emigrieren, ihre hier oft mühsam aufgebaute Existenz, ihre soziale Stellung als allseits geachtete Bürgerinnen und Bürger verloren haben und in der Fremde oft nur schwer oder gar nicht Fuss fassen konnten. Auch sie waren Opfer des NS-Regimes, wenn auch keine letalen, so aber mit ihrem zerstörten Leben. Manche von diesen wählten noch in der Emigration den Freitod oder starben an den Folgen der Vertreibung.
 

Ekkehard Hübschmann, August 2002
 
 

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